Podiumsdiskussion mit Bundeskanzlerin Bierlein

Bericht und Kommentar von Simon Maurer zur PolEdu-Diskussion mit der Frau Bundeskanzlerin; Besuch der Veranstaltung erfolgte im Rahmen des Schwerpunktblocks zur NR-Wahl 2019 bei Prof. Pühringer

1010 Wien. Besuch im Presseclub Concordia zu einer Diskussion und Publikumsdiskussion organisiert von PolEdu, einem Verein zur Förderung politischer Bildung unter Jugendlichen. Stargast war Bundeskanzlerin Doktorin Brigitte Bierlein, Chefin der Übergangsregierung, die im Zuge der Neuwahlen von Herrn Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen angelobt wurde.

Brigitte Bierlein war zuvor erste Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes. 

Einlass war um 15:15 Uhr in der Bankgasse 8. Drei SchülerInnen aus der 6B, Haizingergasse, einschließlich mir, bekamen die einmalige Gelegenheit ebenfalls teilzunehmen. Eingeladen wurden

PolEdu-Mitglieder sowie ausgewählte SchülerInnen. 

Begonnen hat die Diskussion etwas nach 16 Uhr. Frau Bundeskanzlerin wurde mit einem durchschnittlichen Applaus empfangen – die Resonanz des Publikums auf die Antworten war geteilt. Während viele schmunzeln mussten, als die Frau Bundeskanzlerin ab und zu den ein oder anderen Teil gestellter Fragen vergaß, schienen andere ziemlich erstaunt, teils auch begeistert.

Nur die Minderheit zeigte Desinteresse, in etwa durch ständiges Benutzen etwaiger mobiler

Geräte und der Nutzung diverser Applikationen inklusive Snapchat.

Inhaltlich wurde recht viel Abwechslung geboten. Begonnen wurde die Diskussion durch die zwei

PolEdu-Moderatoren mit dem Thema Bildung. Die Frage nach einem Unterrichtsfach “politische

Bildung” war gegeben. Ein eleganter Wechsel zum “Thema” Herbert Kickl konnte nur diesem

Moderator gelingen. Weitere inhaltliche Punkte waren- wie man sich denken kann- der

Klimawandel, das wohl ausführlichst diskutierteste Thema ex aequo mit Bildung, sowie Presse-, und Meinungsfreiheit, das Bundesheer, die Justiz, die Ministerien, Bürokratie, Werbeausgaben und mehr. 

Imponiert haben, meiner Meinung nach, vor allem die Aussagen zu Werbeausgaben und Bundesheer. Denn eines muss man der Frau Bundeskanzlerin (und ihrer Regierung) lassen: sie ist direkt, pointiert und sachlich. Während andere Bundesregierungen die nächsten Wahlen vor

Augen haben kann diese Regierung nicht gewählt werden. Der vermutliche Konkurs des

Bundesheeres wurde vom Minister genau so offen ausgesprochen, wie nun von Frau Bundeskanzlerin. Und die Werbeausgaben? Auch hier findet sie einen sachlichen Ansatz und meint, dass die Ausgaben für Werbung für sie unverständlich sein. Dies bezieht sie sowohl auf Ausgaben der Ministerien als auch auf Wahlwerbung. Denn hier geht, und das ist allgemein bekannt, viel zu viel Geld verloren. 44 Millionen Euro soll die Regierung Kurz 1 für Werbung ausgegeben haben (Quelle: kontrast.at). 

Dabei stünde die nächste Regierung vor einer finanziellen Herausforderung. Denn die Klimakrise werde Geld kosten. Aber nicht nur hier ist Investitionsbedarf. Defizite im Schulsystem (siehe PISATest), dem Justizministerium (Personalmangel), dem Gesundheitssystem (1 (Kassen)-Arzt auf rund

10.000 Menschen laut diepresse.at), einer möglichen Einwanderungswelle aufgrund des Klimawandels, dem Bundesheer und vieles mehr. Die Zukunft Österreichs sehen viele als unsicher. Mir inklusive. 

Denn auch unser vermeintlicher Reichtum steht in Gefahr. Auch schon Peter Meindl schrieb 2011 in einem Gastkommentar in “Die Presse”: “Es gibt keine wohlhabende Nation, die wenig gebildet ist, und es gibt keine gebildete Nation, die nicht wohlhabend ist.” 

Einer Frauenquote stünde sie kritisch gegenüber, ließ Frau Bundeskanzlerin ein weiteres Mal vermerken. Dies komme daher, dass dies nicht nötig sein sollte. Trotzdem, bemerkt sie stolz, hätte ihre Regierung eine 50/50-Quote. 

Und jede Frau solle immer ihre Chancen ergreifen. Auch jeder Mann. Denn nur so könne man sich eine Kariere aufbauen, nur so könne man es jedem beweisen. Dass Frauen wohl zu unsicher, zu kritisch mit sich selbst sind, sei ein Problem. Auch, dass es weiter so sei, dass mehrheitlich die Frauen das Familienleben organisieren und so das Phänomen entsteht, dass Frauen sich denken, sie würden allem überdrüssig und könnten sich dies nicht alles aufbürden. “Es geht sich immer aus”, meint die Frau Doktorin. Nur so, durch Chancen ergreifen, sei sie nun dort, wo sie ist.  Und dies scheint auch mir wichtig. Jeder muss seine Chancen ergreifen. Und die klügeren Fragen

[im Zuge der Publikumsdiskussion], ob Zufall oder nicht, haben heute eindeutig die Kolleginnen gestellt. 

Das Thema Glyphosat wurde gar nicht angesprochen. Jedoch meinte die Frau Bundeskanzlerin, dass sie sich als Juristin nicht anders hätte entscheiden können – ein formaler Fehler sei nunmal nicht zu ignorieren (Interview: Die Presse). 

Während man ihr nicht wirklich eine politische Richtung zuordnen konnte, schien sie sehr

Kompetent und den Fragen gegenüber offen. Sie schätzte zudem den politischen Aktivismus der österreichischen Jugend und meinte, sie fände es gut, dass diese nicht “nur Computer spielen” würde. 

Die vom Veranstalter “versprochen” Fotos mit der Frau Bundeskanzlerin gab es nicht.

Verständlich, denn eine Kanzlerin scheint immer was zu tun zu haben. Gut so, geht es ja um unser

Land.

Beim Austreten aus dem Veranstaltungsraum meinte sie nur noch “Die Zukunft gehört Ihnen, das wissen’s ja” und verließ das Gebäude mit scheinbar zufriedener Miene.