Anschläge von Paris

Eine Woche ist vergangen. Wenige Tage, viele Ereignisse, viele Eindrücke, wenig schöne.

12 Tote, grausam und kaltblütig hingerichtet in der Redaktion von Charlie Hebdo. Wegen einer Karikatur. Manche Medien zeigen die Karikatur, andere nicht.

Eine Polizeistreife, die auf der Straße eingreifen wollte, wird auch beschossen. Ein Polizist liegt bereits verletzt auf der Straße, lebt aber noch. Ihm wird im Vorbeigehen in den Kopf geschossen. Manche Kanäle zeigen die Bilder, andere nicht.

Am Tag darauf wird eine Polizistin in Paris erschossen und noch einen Tag später vier Geiseln in einem jüdischen Supermarkt in Dammartin, wohin die Attentäter geflohen waren.

Schließlich werden auch noch die drei Täter erschossen.

Frankreich und die ganze Welt sind geschockt.

Nach den grausamen Anschlägen in Frankreich stellt sich wieder einmal die Frage, wie frei der Einzelne seine Meinung sagen darf, wie frei die Presse in ihren Veröffentlichungen sein darf und wie frei die Kunst sein darf?

Spontan würde man wahrscheinlich antworten: Frei. Natürlich frei. Was denn sonst? Wir leben doch in einem freien Land.

Aber es kann, wie man sieht, gefährlich werden. Wie viel darf man sagen, schreiben, zeigen, ohne um sein Leben fürchten zu müssen? Dürfen wir auf unserem Schul-Blog veröffentlichen, was wir wollen? Darf ich das privat?

Das Gesetz sagt ganz klar nein. Ich darf unter anderem nicht mobben, nicht zu Gewalt aufrufen, nicht verhetzen und ich darf auch nicht blasphemisch sein. Da schützt in unserem Land das Gesetz die Religion. Wer gegen die Kirche zum Beispiel zu frech zeichnet, wird verklagt, das Kunstwerk wird verboten und dem Künstler droht sogar Gefängnis. Ganz frei geht’s also auch nicht zu. Ist das vielleicht auch gut so, z.B. zum Schutz der Gefühle aller Gläubigen? Oder ist das vielleicht doch schon zu nah an dem, was wir an totalitären Systemen verurteilen? Wir bestrafen auch, nur halt weniger hart und demokratischer als die IS.

Ein Satiremagazin ist ein besonderes Symbol der Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit. Schließlich darf in der Satire nicht nur gesagt werden, was man denkt, sondern es ist das Ziel, über alles und jeden zu spotten. Die Meinung wird also nicht nur frei geäußert, sondern sie tobt sich aus, so gut sie kann. Sie hat vor nichts und niemandem Respekt. Dass andere sich beleidigt fühlen, wird in Kauf genommen, schließlich geht es ja um die Freiheit. Gibt es da vielleicht Grenzen? Sollte es welche geben?

Die Zeichner und Redakteure von Charlie Hebdo hatten bereits etliche Drohungen erhalten und dennoch weitergemacht, sich kein Blatt vor den Mund genommen. Für manche ist das heldenhaft, für manche ist das zu riskant, für einige ist das ein Grund zu töten.

Es ist unendlich traurig, dass es zwischen Menschen immer wieder so weit kommt und man fragt sich, ob das sein muss?

Wie die Solidaritätskundgebungen weltweit zeigen, möchte das die Mehrheit von uns Menschen nicht. Egal welcher Religion sie angehören oder auch nicht. Weltweit haben sich so auch religiöse Führer des Islam ganz deutlich von den Anschlägen und von Gewalt distanziert und sogar geäußert, dass sie es als Verrat an der Religion empfinden, wenn in ihrem Namen Gewalt ausgeübt wird. Deshalb ist es auch ganz wichtig, dass wir klar zwischen Islam und Islamismus trennen.

Wir sollten uns vielleicht auch fragen, was wir als einzelner dazu beitragen können, dass es friedlich und respektvoll zugeht in der Familie, in der Schulklasse, in der Straßenbahn, auf der Welt. Schnell würde uns einfallen, dass wir uns so verhalten sollen, dass wir andere nicht stören, verletzen, beleidigen. Und das muss natürlich auf Gegenseitigkeit beruhen. Die Freiheit, die wir wollen, müssen wir auch geben. Wenn uns am anderen etwas stört, dürfen wir ihm das mitteilen und hoffen, dass er etwas ändert. In der Regel werden wir – wenn wir vernünftig und sozial sind – unsere Anliegen so vortragen, dass sie gehört werden. Wir werden den anderen nicht gleich töten. Wir werden ihn aber vermutlich auch nicht gleich beleidigen, denn dann würde er uns ja auch nicht entgegenkommen.

Und wenn sich keine Einigung erzielen lässt, dann gibt es ja immer noch die Gesetze. Und die sollten so gestaltet sein, dass sie den Forderungen nach Liberté, Égalité, Fraternité gerecht werden. Wenn wir frei sind, dann nur, weil andere es auch sind, wenn wir gleich sind, dann nur weil die anderen auch gleich sind und wenn wir brüderlich (oder schwesterlich) sind, dann bedeutet das für mich, dass wir uns doch letzten Endes alle sehr ähnlich sind. Wir wollen in Frieden und glücklich leben. Und in Freiheit. Die wird nur da unterdrückt, wo die Argumente zu schwach sind. Das gilt für autoritäre Staaten und Religionen.

Das wenig Schöne, das in den letzten Tagen zu sehen war, ist, dass so viele Menschen scheinbar dieser Meinung sind. Das macht Hoffnung.

Anastasia Clemens, 6A